Das Gründungsschiff HERTHA schwimmt weiter!
Die alte Dame des Berliner Fußball-Clubs hat neue Eigentümer
HERTHA schwimmt weiter in WUSTERHAUSEN . Die Tinte auf dem Vertrag, den Thomas Flemming zeigt, ist noch nicht ganz trocken. Aber er weist ihn – beziehungsweise seine Firma Prignitzer Leasing AG – ganz eindeutig als den neuen Besitzer der Hertha aus. Und damit des Schiffes, das dem Berliner Bundesligisten seinen Namen und seine Vereinsfarben gab und das heute in einem unspektakulären Bootsschuppen bei Kyritz (Ostprignitz-Ruppin) sanft auf den Wellen des Klempower Untersees schaukelt.
Hertha BSC wollte das Schiff eigentlich selbst kaufen und anlässlich seines 120. Jahrestages als Museumsschiff vor dem Olympiastadion zur Kultstätte für seine Fußballfans umgestalten. Doch die Verhandlungen mit den alten Besitzern, Peter und Jens-Peter Dentler, scheiterten aus unbekannten Gründen. Gemunkelt wird, dass der knurrige Seebär Dentler aus der Prignitz, dessen Familie das Boot seit 43 Jahren über den Untersee schipperte, und die Fußball-Manager aus Berlin nicht die gleiche Sprache sprachen – zumal Hertha-Aufsichtsratschef Bernd Schiphorst medienwirksam verkündet hatte, dass Dentler ein „reizender alter Herr mit Euro-Zeichen in den Augen“ sei – und sein Schiff nur noch Schrott.
Dabei waren es eigentlich die Hertha-Leute selbst, die das Schiff unbedingt haben wollten: Schließlich fahren in Berlin gleich zwei Fahrgastschiffe umher, die für den Konkurrenten Union Werbung machen. Das Ausflugsschiff blieb mit seinen 24 Metern Länge zunächst gut vertäut im Bootshaus, auch als Dentler in Rente ging.
Stattdessen waren Verhandlungen mit Thomas Flemming aus Putlitz (Prignitz) erfolgreicher. Zudem: Steffen Hahlweg, naher Verwandter Flemmings, verkauft am Untersee Eis an Badegäste und suchte sowieso neue Herausforderungen. Dentler und die beiden Prignitzer waren sich schnell einig, der Verkaufspreis wird jedoch nicht genannt. Das Schiff gehört nun beiden je zur Hälfte. Ein zweites, die Neptun, kauften sie gleich mit. Die Kähne werden demnächst in einer Gesellschaft vereint, der Wusterhausener Fahrgastschifffahrt.
Kaum war in Hertha-Fan-Kreisen durchgesickert, dass verhandelt wird, flatterten bei Flemming die ersten Buchungsanfragen durchs Fax. Denn das Schiff hat für die Fans hohen Symbolwert.
Die Hertha-Gründer Fritz und Max Lindner sowie Otto und Willi Lorenz hatten 1892 eine Rundfahrt mit dem Ausflugsdampfer unternommen, der damals noch auf der Havel fuhr. Als es um die Namensgebung für den Fußballverein ging, fiel Fritz Lindner die Fahrt wieder ein: Der Name Hertha wurde übernommen, und auch die Farben Blau und Weiß, in denen das Schiff lackiert war.
Blau und weiß ist die Hertha auch heute noch, auch wenn sich ansonsten seit dem Stapellauf im Jahr 1886 einiges verändert hat. Gebaut worden war sie als Dampfschiff mit zwei Propellern, heute tuckert das Schiff mit zwei Lkw-Dieselmotoren über den See, die beiden Getriebe stammen aus Restbeständen der Roten Armee.
Innen dagegen ist noch DDR-Nostalgie zu spüren, blaue Kunstledersitze verströmen immer noch den Geruch von Mitropa-Putzmitteln. Schließlich fuhr der Dampfer ab 1947 und bis 1964 unter dem zum Namen erhobenen Pioniergruß „Seid bereit!“, dann wurde er fünf Jahre trockengelegt. Als Familie Dentler das Schiff 1969 kaufte, wurde es zum „Seebär“, seit 2002 trägt die Hertha wieder ihren ersten Namen.
„Wir wollen hier viel machen“, sagt Thomas Flemming, dessen Kreativität in der Region bekannt ist. Und dessen Leasing-Firma vom Helikopter über Berliner Weihnachtsbeleuchtungen bis hin zur Milchkuh alles vermietet, was irgendwie beweglich ist, bevorzugt aber Eisenbahnen. Den alten DDR-Charme will man ein wenig bewahren, nur so, dass es fürs nostalgische Gemüt ausreichend ist. Ausflugsfahrten für Fans, Unternehmen oder Kindergruppen sind geplant; ein paar Bänke auf dem Oberdeck müssen weichen, damit eine Band spielen kann.
Auch einen echten Seebären haben die neuen Eigentümer schon angeheuert: Johannes Bär ist seit 20 Jahren in der Prignitz, sofern er nicht gerade Frachtschiffe über die Nord- oder die Ostsee steuert.
„Wir hoffen ja, dass wir mit Hertha irgendwie zu einer Art Interessengemeinschaft kommen“, sagt Flemming, „schon wegen der Fans.“ Und weil die Besitzer daran glauben, dass Hertha weiterschwimmt, verzichten sie auch auf eine erste Idee. Flemming: „Wir wollten ja die Kabinen im Unterdeck auf 1., 2. und 3. Liga taufen. Aber auf die dritte verzichten wir: Da kommt jetzt eine Bar rein.“ (Von Claudia Bieler) MAZ